Statement von ehemaligen Pekaris in der URL Jena.
Vor etwas mehr als drei Jahren begann der Aufarbeitungs- und Reflexionsprozess unserer ehemaligen Gruppe Pekari Jena. Pekari hatte sich im Dezember 2021 aufgelöst, zwei Statements 1 zu Übergriffen sexueller Gewalt, täterschützendem Verhalten, Sexismus und Hierarchien in der Gruppe sind in diesem Prozess erschienen. Als ehemalige Pekaris organisieren wir uns nun in der neu gegründeten Undogmatischen Radikalen Linken (URL) Jena. Diese Entscheidung haben wir bewusst getroffen und wir möchten mit diesem Statement noch ein paar Gedanken teilen:
Ein kurzer Rückblick auf den Prozess
In Pekari waren wir bis zum Ende Teil der Gruppe, die Verantwortung übernommen hat und den Aufarbeitungsprozess von innen gestartet sowie nach unseren besten Möglichkeiten abgeschlossen hat. Wir nehmen die Kritik an, die an uns geäußert wurde: Wir haben unseren Prozess nicht öffentlich gemacht und stattdessen wieder angefangen nach Außen politisch zu arbeiten. Dies war falsch und wir können dafür nur um Entschuldigung bitten. Fehlende Transparenz über sexuelle Gewalt ist ein viel zu großes Problem im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der linken Szene, die am Ende nur Tätern hilft. Nichtsdestotrotz kann Transparenz am Ende aber auch nur in Absprache mit und nach den Wünschen der Betroffenen hergestellt werden. Frustration bei uns und unseren (ehemaligen) Genoss*innen entstand nicht nur aus unserer Intransparenz, sondern auch aus unserer Unwissenheit und Unsicherheit und dem daraus resultierendem falschen Umgang. Dies tut uns leid.
Im Prozess lernten wir, was es wirklich heißt, solidarisch bzw. parteilich mit Betroffenen sexueller Gewalt zu sein. Täterschützend gehandelt wird schnell; konfrontativ mit den eigenen Freund*innen oder Genoss*innen zu sein, ist schwierig. Nur eine theoretische Auseinandersetzung mit den Konzepten von Definitionsmacht oder solidarischer Parteilichkeit ist leider oftmals nicht ausreichend, um den eigenen Anspruch auch in der Praxis umzusetzen. Dennoch wollen wir versuchen, diesen Anspruch bestmöglich zu erfüllen: Reflexion und Austausch sowie ein konstantes Bewusstmachen der Betroffenenperspektive helfen uns, unseren eigenen Umgang kritisch zu hinterfragen.
Für unsere neue Gruppe nehmen wir noch mit, dass wir ausführliche interne Kommunikation und Transparenz in Aufarbeitungsprozessen aber auch im Miteinander essentiell sind. Vertrauen innerhalb der Gruppe ist notwendig, um Beziehungen zu Tätern oder Täterschützer*innen zu besprechen, sodass die eigene Verstrickung bearbeitet werden kann. Dazu gilt es selbst aktiv von diesen zu erzählen, aber auch kritischen Fragen zu stellen und auf diese ehrlich zu antworten. Outcalls sollen immer intern thematisiert und – wenn ein Bezug zu unserer Gruppe besteht – sich dazu öffentlich positioniert werden.
Zuletzt ist es wichtig, auf die psychische Gesundheit der Leute im Prozess zu achten. Auch Leute in der Gruppe können schon betroffen von sexueller Gewalt sein, was wiederum zu Belastungen in der Bearbeitung des Themas führen kann. Der (wahrgenommene) Druck und die oftmals schwierige und durch Unsicherheit geprägte Auseinandersetzung mit sexueller Gewalt können dazu führen, dass alle an ihre Grenzen kommen. Hier gilt es, sowohl auf die eigenen Kapazitäten als auch die der anderen zu achten.
Warum denken wir, dass wir uns in die Gruppe einbringen können?
Der Umgang mit sexualisierter Gewalt (in der linken Szene) ist für uns kein abgeschlossenes Projekt, das für uns persönlich mit der Auflösung von Pekari geendet hat. Wir beschäftigen uns weiterhin mit der Thematik und bringen unter anderem unser Wissen und unsere Erfahrung in die neue Gruppe ein, beispielsweise in der Erstellung von Konzepten zur Prävention von und Intervention bei Fällen sexueller Gewalt oder in der Schaffung von Gruppenstrukturen, die Diskriminierung oder verschiedene Formen von Hierarchien möglichst verhindern. Wir möchten dazu auch unsere Erfahrungen teilen, sodass hoffentlich Fehler nicht erneut gemacht werden. Dazu sehen wir die Möglichkeit, in einer Basisgruppe, in welcher sich Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungsschätzen organisieren, unser Wissen sinnvoll teilen zu können; auch an diejenigen, die vielleicht erst neu in die Szene kommen. Dazu möchten wir uns an dieser Stelle auch für eine tolerantere Fehlerkultur in den Prozessen und wenn Fehler gemacht werden, für eine solidarische Kritik, aussprechen. Unserer Meinung ist es am Ende das Commitment und die Intention von Handlungen, die zählen: Handelt eine Person oder Gruppe nur, um sich selbst zu retten? Oder geht es darum, die betroffene Person zu unterstützen? Das heißt jedoch nicht, dass nun alle Fehler erlaubt sind, auch hier gibt es klare Grenzen. Bagatellisierung und Ignoranz von übergriffigem Verhalten oder Angriffen auf die körperliche Selbstbestimmung werden nicht geduldet.
Um unsere Erfahrung auch über die eigene Gruppe hinaus zu teilen, wird sich die URL Jena auch im Jenaer Prozessplenum zu langfristigen Umgangsformen mit sexueller/ sexualisierter Gewalt in der linken Szene einbringen.
Die Arbeit an dem Prozess um Pekari ist für uns jedoch abgeschlossen. Wir haben gemerkt, dass es mit Pekari so nicht mehr weitergeht und daher hat sich die Gruppe mit Veröffentlichung des zweiten Statements aufgelöst. Als (ehemalige) Pekaris sind wir jedoch weiterhin ansprechbar für Kritik, Fragen und Anmerkungen zu unserem Prozess. Wir stehen auch zur Verfügung, wenn anderen Polit-Gruppen, die sich in ähnlichen Situationen befinden, ein Erfahrungsaustausch im Umgang mit sexueller Gewalt helfen würde. Erreichen könnt ihr uns nun am besten via Mail an die Adresse der URL: url-jena@riseup.net
1 https://dasschlechtegewissen.noblogs.org/files/2022/08/2021-08-06_zwischenstand_pekari.pdf
https://dasschlechtegewissen.noblogs.org/files/2022/08/2021-12-18_Statement_Taeterschutz_und_Aufloesung_Pekari.pdf
Durch das Abschalten von Blogsport ist unser Blog gelöscht worden. Die Statements findet ihr nun nur noch in der Chronik, die Das schlechte Gewissen erstellt hat. Vielen Dank für das Bereitstellen dieser wichtigen Informationen und Infrastruktur.