Ein paar Gedanken und unser Redebeitrag zur „Stoppt den Genozid in Palästina Demo“ am 10.07. in Jena

Liebe Freund*innen und Genoss*innen,

wir richten uns heute mit ein paar Gedanken zur Demo vom 10.07. an euch. Aufgrund des Ablaufs der Demo und verschiedenen Prozessen innerhalb der linken Szene, war es uns ein Anliegen, uns dazu zu positionieren und Stellung zu beziehen. Wir hoffen damit einen Beitrag leisten zu können, weiterhin gemeinsam soldarische Perspektiven auf die Straße zu tragen. Zudem möchten wir den Redebeitrag, welchen wir zur Demo gehalten haben, mit euch teilen.

Wir haben uns am 10.07.2025 an der Demo ‘Stoppt den Genozid in Palästina’ beteiligt. Hier wollen
wir gerne unsere Rede mit euch teilen und ein paar Eindrücke von der Demo schildern. Wir hoffen
auf einen produktiven Austausch.

In Gaza finden Kriegsverbrechen an der palästinensischen Bevölkerung statt. Die israelische Regierung und das Militär blockieren Zugang von Lebensmittellieferungen und humanitärer Hilfe, was zahlreiche Hungertote und die Ausbreitung von tödlichen Krankheiten zur Folge hat. Sie verhindern Flucht- und Ausreisemöglichkeiten und bombardieren die Zivilbevölkerung. Teile der israelischen Regierung verfolgen genozidale Bestrebungen. Das alles passiert und wurde durch deutsche Waffenlieferungen und die Rhetorik der Staatsräson, sowie die Diffamierung und Sanktionierung von jeder Kritik an Israels Kriegsführung als Antisemitismus möglich gemacht. Das alles sind Themen, die die linke Bewegung auf die Straße, ins Handeln und zur öffentlichen und praktischen Solidarität bringen sollte und muss.

In einer Demo, die das Leid in Gaza benennt und sich gleichzeitig das Ziel setzte sich klar und deutlich von Antisemitismus zu distanzieren, sahen wir eine Chance für die Debatte in Jena. Der Demo lag ein Konsens zu Grunde, dem wir uns trotz unterschiedlicher Perspektiven in der Gruppe anschließen konnten.

Zweifel an der Teilnahme gab es in der Gruppe, als der Titel auf dem Share Pic sich unterschieden hat von dem Titel „Waffensillstand in Gaza“, unter dem uns die Demo in der Kontaktaufnahme angekündigt wurde. Dies setzt einen anderen thematischen Fokus, zu dem wir in der Gruppe keine einheitliche Position haben.

Trotzdem haben wir uns immer wieder neu dazu entschieden Teil der Demo zu bleiben, weil wir die Solidarisierung mit der palästinensischen Zivilbevölkerung in Gaza für wichtig und notwendig halten. Wir wollten durch unseren Redebeitrag weiter versuchen eine emanzipatorische Position auf die Straße zu bringen. Auch in der Demo selbst sahen wir aufgrund des Demokonsenses und anderer Bündnispartner weiterhin das Potenzial dafür.

Wir haben aktiv versucht den inhaltlichen Ausdruck mitzugestalten. Konkret durch einen eigenen Redebeitrag, den ihr im Anhang findet, und durch das aktive Mitwirken in der Ordner*innenstruktur. Insbesondere in der Ausarbeitung des Ordner*innenkonzeptes kam es zu Konflikten mit Vertreter*innen von Jena for Palestine, die sich nur zum Teil als solche zu Erkennen gegeben haben. Deren Rolle im Orgaprozess war von Anfang intransparent. Es wurde an mehren Punkten versucht Inhalt und Ausdruck der Demo nach deren Vorstellungen zu lenken, entgegen des Demokonsenses und obwohl klar war, dass sie als Gruppe nicht hinter diesem Konsens stehen.

Tatsächlich kam es auf der Demo zu antisemitischen Aussagen und Symboliken von Demonstrierenden und Redner*innen, die auch klar gegen den vereinbarten Demokonsens verstoßen haben. So wurde aus der Demo ein Wolfsgruß gezeigt und es wurden vereinzelt antisemitische Parolen gerufen. Zudem wurde sich in einigen Redebeiträgen mit der Hamas und ihren Verbrechen am 7. Oktober solidarisiert und es wurde die Unterstellung gemacht, dass die israelische Regierung mit der „humanitären Stadt“ (welche sicherlich keine ist) ein KZ errichte. Dazu hätten wir und die anderen Teile der Demoorga schon auf der Demo besser reagieren müssen, was uns nicht gelungen ist. Das war ein Fehler! Dazu und zu anderen Punkten waren und sind wir in der konflikthaften Auseinandersetzung mit den beteiligten Gruppen und in einer Gruppen-internen Aufarbeitung.

Wer Organisationen wie die Hamas, deren Ziel es ist jüdisches Leben zu vernichten, verherrlicht, rechtfertigt oder verharmlost, kann für uns kein Partner im Kampf für eine freie und solidarische Gesellschaft sein.

Gleichzeitig wollen wir den Aussagen auch nicht die Möglichkeit geben den ganzen Demoausdruck
rückblickend zu bestimmen. Es gab viele gute und differenzierte Redebeitrage woran wir anknüpfen wollen , um diese emanzipatorische Stimmen weiterhin auf die Straße zu tragen unter Ausschluss von
antisemitischen Positionen.

Wir hoffen mit allen Akteur*Innen, die bereit sind auf undogmatischer Basis mit uns zu diskutieren,
gemeinsame, neue und solidarische Positionen und Antworten zu entwickeln und ins Handeln zu kommen.

Hier unserer Redebeitrag von der Demo:

Es fällt uns schwer Worte zu finden. Es fällt uns schwer Worte zu finden für das Leid der von Hunger, Gewalt und Tod betroffenen palästinensischen Bevölkerung, für das Leid der sich noch immer in Hamasgefangenenschaft befindenen Geiseln, für das Leid der auch hier lebenden Angehörigen der Gestorbenen. Wir wollen nicht verleugnen, dass es uns auch schwer fällt Worte zu finden, aufgrund der großen Polarisierung und gegenseitigen Anfeindungen, aufgrund der grausamen Verbrechen der Hamas und aufgrund der abscheulichen Kriegsvebrechen der Israelischen Regierung. Wir wollen nicht verleugnen, dass es uns schwer fällt aufgrund der Angst etwas falsches zu sagen. Wir wollen es heute dennoch versuchen. Dabei wollen wir unseren Blick auch verstärkt auf Deutschland richten. Auf die Unterstützung der Kriegsverbrechen, der genozidalen Pläne und auf den Kriegstaumel und autoritären Staatsumbau. Wir wollen dafür plädieren sich nicht in den Strudel der Kriegslogik und Entmenschlichung hineinziehen zu lassen, sondern eine Position zu entwickeln, die sich gegen den Krieg stellt und mit der leidenden Zivilbevölkerung und den für Frieden kämpfenden Menschen vor Ort solidarisiert.

Als Rechtfertigung für die Kriegsverbrechen und die Entwertung palästinensischen Lebens werden sowohl von der israelischen Regierung, als auch von Teilen der deutschen Linken immer wieder der Terrorangriff der Hamas und die sich noch immer in Haft befindenen Geiseln herangezogen. Und so sehr für uns klar ist, dass sowohl die islamistische Hamas mit ihrer völligen Entwertung jüdischen Lebens, als auch ihre Verbündeten reaktionäre Kräfte sind, die dem wofür wir kämpfen unversöhnbar gegenüber stehen, ist auch klar, dass nichts die genozidalen Bestrebungen und Kriegsverbrechen der israelischen Regierung rechtfertigen kann. Die Regierung und die rechten Siedler*innen sind verantwortlich für das Sterben, Hungern und Vertreiben der palästinensischen Bevölkerung.

Wir können und wollen uns auf keine andere Seite stellen, als die der Menschen, die unter dem Terror, den Raketen und der Aushungerung leiden, die in Isolationshaft sitzen und gefoltert werden, deren Leben instrumentalisiert werden, die ihre Liebsten verlieren und um ihr eigenes Leben fürchten, deren Stimmen im Kriegsgetöse zum Schweigen gebracht werden, die sich der Kriegslogik entziehen und die trotz des religiösen und nationalistischen Taumels nicht aufhören, ihre Kämpfe von Unten zu führen. Seit über einem Jahr gibt es in Israel zusammen mit dem Forum der Geiselfamilien immer wieder Proteste und Streiks für einen Waffenstillstand, ein Ende der Kriegsverbrechen und gegen die rechtsextreme Regierungskoalition. Und auch in Gaza gehen trotz einer anhaltenden Zerstörung und einem anhaltenden Töten massenhaft Menschen gegen den Krieg und auch gegen die Hamas auf die Straße. Ihnen, die den Kampf für Befreiung von Unten führen, und denen die unter den Kriegsverbrechen leiden, gilt unsere Solidarität.

Auch wenn die Staatsräson vereinzelt bröckelt, ist Deutschland weiter mitverantwortlich. Im Kontext der Zeitenwende und angeblich alternativlosen Kriegstüchtigkeit, rüstet Deutschland nicht nur selber auf, sondern hilft mit Waffenlieferungen und ideologischer Unterstützung auch Partnerländern bei der Erlangung der Kriegstüchtigkeit und beim Durchführen ihrer Kriegsverbrechen. Alles natürlich im „wertegeleiteten“ Kampf für Menschenrechte und Demokratie versteht sich. Wie selektiv diese Werte eingesetzt werden zeigt sich immer wieder. Nun eben auch in der Nichtanerkennung der Strafbefehle des Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte gegen israelische Politiker.

Die Kriegslogik, die hier mit Militarisierung im Kampf um Demokratie und westliche Werte vorangetrieben wird, zeigt sich aber nicht nur in wachsenden Militärausgaben und Waffenlieferungen. Sie zeigt sich auch nach Außen in der rassistischen Abschottungspolitik und nach Innen im autoritären Staatsumbau, der sich aktuell nicht zuletzt in der Repression gegen palästinasolidarische Proteste und der Kriminalisierung der Bewegung zeigt. Abschiebungen werden als Repressionsmechanismus gegen unliebsame Demos benutzt, auf denen nur noch Deutsch gesprochen werden darf, oder am besten gleich geschwiegen werden soll. Die vermeintliche Verteidigung demokratischer Rechte und Werte muss wieder einmal dafür herhalten eben jene zu beschränken und zu untergraben.

Der Kriegstaumel bleibt natürlich nicht nur auf Staatsebene, sondern zeigt sich auch vermehrt in der breiten Gesellschaft und linken Szene. All zu oft wird das erfahrene Leid der Anderen nicht anerkannt. All zu oft wird unterschieden und das Leben des Gegenübers rassistisch oder antisemitisch abgewertet.
Im Angesicht der Kriegsverbrechen und der daraus folgenden katastrophalen humanitären Situation in Gaza und im Angesicht der allgemeinen rhetorischen, wie militärischen Entmenschlichung, der unbedingten Rechtfertigung des militärischen Vorgehens – trotz dessen offensichtlicher Entgleisung –, gilt es, das Recht auf Leben für alle zu verteidigen. Wir wollen kämpfen mit all denen, die keine Unterscheidung zwischen Menschenleben machen, all denen, denen es ernsthaft um eine emanzipatorische politische Haltung dazu geht. Wir wollen kämpfen mit all denen, die sich dem Strudel der Entmenschlichung und Kriegslogik entziehen wollen.

Liebe Grüße,
eure URL

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Antimilitarismus veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.